Was wir sind und was wir wollen
Im Rückblick war es doch Patrick von Glasenapp, der mit dem Projekt "Steinbrücke" in Dorpat die Grundlage für den kurze Zeit nach seinem frühen Tod gegründeten Verein zur Förderung Baltischer Baudenkmäler schuf. Er hatte die Unterstützung durch zahlreiche Bürger und Politiker des Landes längst gewonnen, aber die notwendigen und mehrfach beantragten Mittel der Europäischen Gemeinschaft blieben aus, denn Estland war noch nicht EU-Mitglied. Nach dem Jahr 2004 fehlte die verkehrstechnische Notwendigkeit für den Neubau der von den Sowjets abgerissenen Steinbrücke.
Weshalb engagieren wir uns für den Erhalt des baulichen Erbes im Baltikum, warum unterstreichen wir die gemeinsame Geschichte der Deutschbalten mit den indigenen Völkern Estlands und Lettlands?
Die Antworten sind vielfältig und reichen von der Schönheit alter Kirchen, Denkmäler und Gebäude bis hinein in deren Funktionalität für die einheimische Bevölkerung. Anders als in Sowjetzeiten werden Kirchen nicht mehr als Speicher für Korn und Düngemittel mißbraucht, sondern sie sind wieder Andachtsort in Gottesdiensten, Taufen, Trauungen und Aussegnung. Mag unser Engagement aus finanzieller Sicht nicht sonderlich groß erscheinen, so sind wir doch in gewisser Hinsicht auch Sprachrohr der Gemeinden, wecken Interesse und Freude an der Unterstützung einer guten Sache.
Unter der Leitung von Nils Hollberg begann ein langjähriges Restaurierungswerk in Dorpat, wo die alte Johanniskirche ihre Aufgabe als sakraler Ort der Universität und des Treffner-Gymnasiums wieder aufnahm. Vor mehr als einem Jahrhundert war ein umlaufender Fries an der Außenwand der Kirche mit Terrakottaköpfen von Gemeindemitgliedern geziert worden. Da unglasiert, waren sie verwittert, hatten auch durch Vandalismus Schaden gelitten und sollten nun neu entstehen. Die Denkmalpflege befürwortete dieses Projekt, Nils Hollberg startete eine große Spendenaktion, der sich nicht nur Estländer anschlossen, sondern Deutschbalten allgemein, die sich gleichfalls an der Wiedererstellung der Terrakottaköpfe beteiligen wollten. In Eve Alttoa fand Nils Hollberg eine kongeniale Künstlerin, die anhand von Photos ihres Mannes Kaur Alttoa und anderen Vorlagen die Köpfe neu erstehen ließ.
Großes Interesse weckte auch das Projekt „Gedenktafeln“ für verstorbene Mitglieder der Kirchengemeinde. Dies sind Bronzeplatten in den Größen 40 x 30 cm bzw. 40 x 60 cm (Angaben jeweils in Breite x Höhe), auf die in einem handwerklich sehr ursprünglichen Verfahren die Namen und Daten der Verstorbenen in geformten Sand gegossen werden. Im Jahr 2013 wurden die bisher letzten Platten in der Kapelle auf der Südseite der Johanniskirche befestigt. Die Wand der Gedenktafeln bietet noch rund 2 m² freien Platz.
Gleichfalls in Estland, nördlich von Dorpat, liegt Koeru mit seiner Marien-Magdalenen-Kirche, wo seit Jahrzehnten eine Altarwand, die Caspar v. Wrede im Jahr 1645 gespendet hatte, an einer Wand des Altarraums lehnte. Die Familie v. Mickwitz und der Familienverband der Hoffmann von Sangershausen sammelte über Jahre hinweg Unterstützer und Geldbeträge, um die Restaurierung der beiden Bilder (Abendmahl und Golgatha) und des Rahmens auf den Weg zu bringen. Dadurch angeregt, faßte die Kirchengemeinde den Beschluß, auch den stellenweise morschen Boden des Chorraums zu renovieren, während das Altarbild von Spezialisten restauriert wurde. Erleichtert wurde die gesamte Aktion auch durch den finanziellen Beitritt des estnischen Staates, der 75% der Restaurierungskosten des registrierten Denkmals – mithin 31.000 € - übernahm.
Für Deutschbalten besonders interessant ist der Friedhof von Koeru mit Grabsteinen aus einer schon lange vergangenen Zeit, z. B. mit den Namen v. Baer, v. Wrangell, v. Benckendorf, v. Wrede, v. Knorring, Hoffmann, v. Bremen und v. Baranoff. Unter den deutschen Pastoren, die bis zum 20. Jhdt. das geistliche Amt innehatten, wird Pastor Heinrich Ferdinand Hoffmann (1846 – 1891) hervorgehoben, der für eine geordnete Grundlage der Dorfschule und für die Vergabe von Familiennamen der indigenen Bevölkerung gesorgt hat.
Im Norden Estlands, nur ca. 30 km von der Küste entfernt, liegt das Dorf Kuusalu (Kusal), dessen Laurentius-Kirche und das historische Pfarrhaus beide unter Denkmalschutz stehen. Der Familienverband Kentmann blickt auf mehrere Generationen von dort tätigen Pastoren zurück und hatte es sich schon im Jahr 2010 zur Aufgabe gemacht, das im Jahr 2006 schadhaft gewordene Geläut zu ersetzen. Als die Anschubkosten von 10% der kalkulierten Gesamtsumme von 36.000€ erreicht waren, konnte der Antrag beim EU-Programm zur Förderung der dörflichen Strukturen gestellt werden. Damit war es möglich, einer Glockengießerei in Deutschland und estnischen Firmen für die Renovierung des Glockenstuhls die Aufträge zu erteilen.
Zum 1. Advent des Jahres 2010 erklangen die neuen Glocken und gaben Professor Albrecht Rost als Sachwalter des Kentmannschen Familienverbands das Signal für ein großes kirchenhistorisches Werk: die Transkription der Kirchenchronik von 1837 bis 1914 sowie von 1914 bis 1940. Besonders hervorzuheben ist die Übersetzung des Texts in die estnische Sprache, denn dadurch haben die Esten weit über die Grenzen des Dorfs hinaus einen Einblick in Kirchen- und Landesgeschichte in einem Zeitraum von für Estland sehr bedeutsamen 100 Jahren. Fast zeitgleich mit der Fertigstellung dieses Werkes brach im April 2014 ein Brand im historischen Pfarrhaus aus, vernichtete den Dachstuhl und große Teile des Innenraums. Der Verein zur Förderung der Baltischen Baudenkmäler steht seither vor der großen Aufgabe, die finanziell tragbaren Teile des Gesamtvolumens von ca. 500.000€ mit der Laurentius-Gemeinde und dem Pastor der Kirche Stück für Stück zu vereinbaren und deren materielle Ausführung zu beobachten. Um die estnische Öffentlichkeit für den Erhalt von Kirche und Pfarrhaus zu interessieren, beschloß der Familienverband der Kentmann gemeinsam mit dem Leiter der Kirchengemeinde die Errichtung eines Denkmals für einen in der Sprachgeschichte des Landes wichtigen Pastor: Eduard Ahrens. Detaillierte Berichte zur Entstehung und Einweihung des Denkmals im Jahr 2017 finden sich in den MBL und in der Zeitschrift Baltische Briefe. Besonders erfreulich ist aus meiner Sicht, daß Anregung und Projektleitung eine fast rein estnische Angelegenheit waren und der Verein Baltische Baudenkmäler trotzdem nicht nur finanzierend, sondern auch beratend eingeschaltet wurde.
Kooperationen dieser Art zeigen eindrucksvoll das Zusammenwirken von Deutschbalten mit indigener Bevölkerung und damit auch die Wiederbesinnung auf teilweise mehr als 500 Jahre gemeinsamer Geschichte.
Bereits im Jahr 2001 hatte sich das Vereinsmitglied Dr. Gerhard Mietens für die Wiederherstellung des ursprünglich im Jahr 1929 errichteten und nur wenige Wochen später von lettischen Nationalisten gesprengten Landeswehr-Gedenksteins eingesetzt. Der Landeswehrverein schuf ein neues Denkmal aus mächtigem Findling und Namensplatten aus Granit, das bis zur Besetzung Rigas durch die Rote Armee Bestand hatte. Die Finanzierung der Maßnahme – die Verklammerung der Bruchstücke mit sicherer Aufrichtung - trug maßgeblich der VDK, und ganz bewußt verzichtete man damals auf die Neuschaffung der Namensplatten. Im Jahr 2009 wurde Dr. Mietens ein weiteres Mal für das Denkmal aktiv und beauftragte einen Architekten mit der Planung von geeigneten Gedenksteinen, auf welchen die eingravierten Namen der rund 300 Gefallenen und der später ihren Verletzungen Erlegenen sichtbar sein sollten. Der Verein Baltische Baudenkmäler sammelte Gelder in der Gemeinschaft der Deutschbalten, auch die Vereinigten Kurländischen Stiftungen trugen bei und schließlich konnte im Jahr 2012 das komplettierte Denkmal eingeweiht werden. Besonders erfreulich ist, daß seit dem Jahr 2016 Dr. Lauris Rasnacs aus Riga zum jährlichen Gedenken der Befreiung Rigas am 22. Mai dorthin einlädt und auch Gäste aus Deutschland an diesen Gedenkfeiern teilnehmen.
Dr. Rasnacs kam erstmals im Jahr 2014 auf den Verein zu mit einem Projekt, das die Errichtung eines Gedenksteins für die Gefallenen der Baltischen Landeswehr im ersten größeren Gefecht am 13.12.1918 in Hinzenberg (=Incukalns) beinhaltete. Als Rechtsanwalt konnte er konfliktfrei die Verhandlungen mit der Gemeindeverwaltung führen und einen ausgezeichneten Platz für den Stein auf einer dafür geschaffenen Freifläche zwischen hohen Bäumen finden. Im Hintergrund befindet sich das ehemalige Postgebäude, in dem eine Lehrerin ein Museum aufbaut. Schülergruppen, die das Museum besuchen, werden zum Gedenkstein geführt und angemessen instruiert.
Die Errichtung des Gedenksteins in Hinzenberg fand im Mai des Jahres 2016 statt und die feierliche Einweihung im Rahmen der Domus-Rigensis-Tage am 3. Juli 2016 folgte unter starker Teilnahme der Bevölkerung.
Wer im futuristischen Bau der Lettischen Staatsbibliothek in Riga bis ganz nach oben geht, wird dort auch Erinnerungsstücke aus dem Leben des Pastors und Wissenschaftlers Gotthard Friedrich Stender finden, z.B. die „Waschmaschine“. Größere technische Berühmtheit jedoch erlangte er mit einem begehbaren Globus, den er für den dänischen König Friedrich V. baute. Eine Kopie ist heute noch in einem Gartenhaus von Schloß Gottorf in Schleswig zu besichtigen und zu begehen. Für Kurland erreichte er größte Bedeutung mit der kongenialen Unterlegung deutscher Volks- und Kirchenlieder durch lettische Versdichtung. Gewissermaßen begleitend dazu entstand ein lettisches Lexikon mit Grammatik. Sein Grab liegt auf dem alten Friedhof von Sonnaxt (=Sunakste) recht nahe bei einem Grabmal der Angèle Bsse. Behr. Der weinende Engel auf diesem Grabmal war durch Vandalen weitgehend zerstört worden und mußte zum 200. Geburtstag Stenders grundlegend restauriert werden. Finanzielle Hilfe leisteten der Familienverband der Barone Behr und ein Spender aus Heide/Holstein. Die technische Umsetzung vermittelte Dr. h.c. Imants Lancmanis, dessen Bildhauer und Restaurator im Keller von Schloß Ruhenthal (=Rundale) eine umfangreiche Werkstätte betreibt. Ein Besuch am 26. Juli 2018 zeigte den Engel noch marmorhell und unbeschädigt.
Nachdem der Verein bereits im Jahr 2015 ein kleines Projekt im Innenbereich der Trinitatiskirche von Libau erfolgreich abgeschlossen hatte, wurde uns im November 2017 eine umfangreichere Aufgabe angetragen: die Kirche wird einer kompletten Restaurierung der Außenhaut unterzogen, wobei die Baltischen Baudenkmäler die Restaurierung der Türen übernommen haben.
Ein Begleitziel dieses Projekts sollte die totale Öffentlichkeit der Restaurierung sein. Die Türen wollte der Trinitatis-Fonds Libau nacheinander vor Ort bearbeiten lassen, um Besuchern Einblick in die Wiederherstellung zu geben. Das erwies sich auf Grund der Schäden am Holz als undurchführbar; stattdessen wurden die Türflügel einzeln entnommen und mit dem jeweiligen Oberlicht zur Wiederherstellung in die Werkstatt gebracht.
Seit 2007 ist diese Kathedrale die Residenz des Bischofs der evangelisch-lutherischen Kirche Lettlands in Liepāja. Sie bildet das geistliche Zentrum der Diözese Liepāja und ist ein Ort der Einkehr für die lettische und die deutsche evangelisch-lutherische Gemeinde sowie für Einwohner und Gäste der Stadt.
Diese Restaurierungsmaßnahme übersteigt die finanziellen Möglichkeiten des Vereins, weshalb hierfür erstmals öffentliche Mittel beantragt wurden, damit die Arbeiten im Januar 2019 beginnen konnten. Gerade hier ist die weitere Unterstützung aus der Deutsch-Baltischen Gemeinschaft notwendig und sinnreich.
Ein weiteres Projekt in Kurland wurde an uns herangetragen: die Kirche von Kandau (=Kandava) soll eine neue Orgel erhalten. Bei einem Gespräch mit Organistin und Gemeindevertretern am 2. August 2018 sollte der Umfang und die prognostizierbaren Kosten der Maßnahme festgestellt werden. Dabei erwies sich die Reparatur des maroden Daches des Pastorenhauses als weit dringlicher. Der Verein leistete mit einer Zahlung von 5.000 € Soforthilfe, sodass Handwerker und Mitglieder der Kirchengemeinde den Dachstuhl reparieren und das Dach ersetzen konnten. Mit Frau Pastorin em. Waltraut Osterlad hat Kandau eine großzügige Fürsprecherin, die als Mitglied des Vereins dieses Projekt begründete und mit Begeisterung unterstützt. Alte Erinnerungen wurden zu neuem Leben erweckt.
Dauerhaft gepflegt werden die auf den Friedhöfen Langeoog und Schliersee erbauten Balten-Denkmäler. Den Dünenfriedhof von Langeoog hatte über viele Jahre hinweg Helmut Baron v. Schilling unter großem persönlichen Aufwand gepflegt; dabei wurde er von zahlreichen Freunden, auch von unserem Mitglied Prof. Herbert Prenzlau unterstützt. Heute bezahlt der Verein jährlich 300 € für die gärtnerische Pflege. Das integrierte Balten- und Landeswehrdenkmal auf dem Friedhof Westenhofen in Schliersee wird durch den Vereinsvorsitzenden persönlich gepflegt.
Einen jeden Leser bitte ich, selbst Eindrücke in der Heimat der Vorfahren zu sammeln und daraus ein Projekt zu formen, das der Verein umzusetzen helfen wird. Sicher muß nicht weiter betont werden, dass diese Arbeit jedem Vereinsmitglied Freude bereitet und vollkommen unentgeltlich erfolgt. Der Lohn sind Freundschaften mit lokalen Organisatoren, die über Tag und Jahr weit hinausreichen.
Wenn Sie spenden wollen, erhalten Sie nicht nur einen Verwendungsnachweis, wo immer möglich durch Photographien ergänzt, sondern auch eine steuerlich wirksame Zuwendungsbestätigung.
Wenn Sie ein Projekt ins Leben rufen wollen, so wenden Sie sich bitte an:
Michael Baron v. Grotthuss, Verein Baltische Baudenkmäler e.V.
Edelweißstr. 16, 83539 Pfaffing
Falls Sie einem für gut befundenen Projekt Hilfe zukommen lassen wollen:
Kontobezeichnung: BaltBauDenkmal, IBAN: DE57 2405 0110 0000 0161 47
Verwendungszweck nach Ihrer Wahl