Orgel Petri-Kirche Riga
Nach der Brandkatastrophe am 29. Juni 1941 stürzten große Teile der Kirche und auch der Turm ein. Bis 1984 waren der Turm und die Kirche (weitgehend als Gebäude ohne sakralen Charakter) wiederaufgebaut – ohne Orgel. Engagierte Letten und Deutsche wollen nun dafür sorgen, dass die Orgelempore nicht länger leer bleibt.
Die St. Petri-Kirche im Herzen der Altstadt von Riga ist eine der ältesten und größten Kirchen des Baltikums, mit dem höchsten Kirchturm Lettlands, und zugleich ein Beispiel großer gotischer Backsteinkirchen im Ostseeraum. In ihrer heutigen Form wurde sie nach Entwürfen des Rostocker Baumeisters Johann Ruhmeschottel im 15. Jahrhundert als hohe dreischiffige Backsteinbasilika mit einem die Apsis umgebenden Kranz von fünf Kapellen nach dem Vorbild der St. Marienkirche in Rostock erbaut. Seit ihrem Wiederaufbau ist sie ein eingetragenes Denkmal, welches sich im unter UNESCO-Schutz stehenden Ensemble der Rigaer Altstadt befindet. Die Kirche ist, nicht zuletzt wegen des Turmaufzugs zum weitreichenden Rundblick, eine große Touristenattraktion.
Bei der brutalen Zerstörung durch die von kriegerischen Handlungen ausgelöste Brandkatastrophe am 29. Juni 1941 stürzte auch der Turm ein. Bis 1984 waren der Turm und die Kirche (weitgehend als Gebäude ohne sakralen Charakter) wiederaufgebaut – ohne Orgel, ohne Kirchenglocken, ohne Altar und Kanzel sowie ohne die früher prächtigen Glasfenster. Als „eigentümerlose Immobilie“ befindet sich die Kirche seit dem Wiederaufbau in der Verwaltung durch eine städtische „Kulturvereinigung“.
In Riga, der alten Hansestadt und Hauptstatt Lettlands, hat also die St. Petri-Kirche, die Reformationskirche der Stadt, nationales Denkmal und Symbol deutsch-lettischer Gemeinsamkeit, bis heute lediglich eine leere Orgelempore – ein Zustand, der im Februar 2017 auch Bundespräsident Joachim Gauck schockierte, dem bei seiner letzten amtlichen Auslandsreise das Projekt an Ort und Stelle vorgestellt werden konnte. Vorher hatte er zusammen mit seinem lettischen Amtskollegen Vējonis den Kirchenvorplatz in „Reformationsplatz“ umbenannt und in der Kirche eine Gedenktafel enthüllt, die an den Beginn der Reformation in Riga 1522 erinnert.
Engagierte Letten und Deutsche wollen dafür sorgen, dass die Orgelempore nicht länger leer bleibt. Mit der neuen Orgel nach dem historischem Vorbild der ursprünglichen Orgel des deutschen Orgelbauers Gottfried Kloosen (1734) bekommt Riga wieder das große barocke Gegenstück zur berühmten romantischen Orgel im Dom – eine „Bach-Orgel“ (Johann Gottfried Müthel, der letzte Bachschüler war von 1767 bis zu seinem Tode 1788, also über 20 Jahre, Organist der Petri-Kirche). Wenn die UNESCO 2017 „Deutsche Orgelbaukunst und deutsche Orgelmusik“ eingeschrieben hat in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit, so betrifft das natürlich auch Riga.
In den letzten Jahren hat die deutsch-lettische Orgel-Stiftung Petri-Kirche Riga eine Orgel-Fachkommission eingerichtet, durch den renommierten Rigaer Architekten Peteris Blums das von den städtischen Behörden geforderte Bautechnische Gutachten fertigen lassen und durch ein „Interessenbekundungsverfahren“ unter kompetenten deutschen und ausländischen Werkstätten den Dresdener Orgelbauer Kristian Wegscheider für die Realisierung des Baus ausgewählt. Der zur Unterstützung der Stiftung in Deutschland gegründete Förderverein Orgel Petri-Kirche Riga e.V. war gleichfalls sehr aktiv: Aufnahme neuer Mitglieder, Öffentlichkeitsarbeit, erfolgreiche Benefizkonzerte in der Nikolai-Kirche Berlin-Spandau, der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche und der Französischen Friedrichstadtkirche, Auftritte beim Deutschen Evangelischen Kirchentag und beim Berliner Fest der Kirchen, Fotokalender 2019 („Riga, seine Kirchen und Orgeln“), Spendenaktionen, Gewinnen von Orgelpfeifenpaten.
Doch ist aussichtsreicher Fortgang auch von dem Gesetzgebungsverfahren im lettischen Parlament abhängig, das zur Rückübertragung der Kirche an die Deutsche Evangelisch-Lutherische St. Petri-Gemeinde führen soll, um die bisher eigentümerlose Kirche wieder in die Hände ihres verantwortungsvollen Besitzers zu geben. Damit wird der Zustand von vor der Okkupation 1940 wiederhergestellt Als wichtige Voraussetzung wurde die Kirchengemeinschaft zwischen der Lettischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (LELK) und der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lettland (DELKL) erneuert. Die DELKL ist jetzt autonome Abteilung der LELK und zugleich Auslandsgemeinde der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), welche die Pfarrer entsendet. Das Gesetzgebungsverfahren war durch verschiedene Umstände ins Stocken geraten, und zur Zeit herrscht auch in Lettland Corona-Krisenzustand. Die Deutsche St. Petri-Gemeinde hat ein umfangreiches Konzept für Verwaltung, finanziellen Unterhalt und kulturelle Funktion der St. Petri-Kirche nach der Eigentumsrückübertragung erarbeitet und in den letzten Jahren bereits ein professionelles Team für die Übernahme dieser Verantwortung gebildet. Die EKD hat tatkräftige, auch finanzielle, Unterstützung zugesagt. Klar ist, dass die deutsche Gemeinde die Kirche verantwortlich und effizient verwalten, finanziell und baulich unterhalten sowie ins kulturelle und musikalische Leben Rigas integrieren wird. Auch werden künftig die beträchtlichen Einnahmen (insbesondere vom Turmaufzug) dem Bauunterhalt zugute kommen.
Nach Verabschiedung des Petrikirchen-Gesetzes kann man zuversichtlich sein für das Gewinnen starker Unterstützung und den baldigen Beginn des Orgelbaus. Das Jahr 2021, in dem der Deutsche Musikrat die Orgel zum „Instrument des Jahres“ bestimmt hat, ist dafür sehr geeignet. Der Förderverein ist in engem Kontakt mit der deutschen Gemeinde, die in Zusammenarbeit mit vielen Rigaer Kulturakteuren ein Konzept dafür entwickelt, wie die Petri-Kirche neben ihrer sakralen und gemeindlichen Funktion als veritable „Kulturkirche“ - dann wieder mit ihrer Orgel - das Kultur- und Musikleben Rigas bereichern wird. „Wenn die Petri-Kirche ihre Stimme wiederhat“, sagte Peteris Blums, „dann ist für die Rigaer Altstadt der Zweite Weltkrieg endgültig zu Ende.“
Für 2021 ist wieder ein Fotokalender geplant, der ab sofort bestellt werden kann und sich nicht zuletzt zum Verschenken innerhalb der deutschbaltischen Gemeinschaft und an sonstige Interessierte eignen wird (für Einzelheiten siehe die Website: www.orgel-petrikirche-riga.de).