Baltische Baudenkmäler e.V.

Einweihung der Johanniskirche in Tartu/Dorpat

Ob ich an die Wiederherstellung und den Fertigstellungstermin geglaubt hätte, fragte mich Probst Luhamets am Tage vor der Einweihung. Ich musste ihm gestehen, dass ich in Bezug auf den Termin nach den Erfahrungen in den neunziger Jahren recht lange skeptisch gewesen bin.

Am 29. Juni war es dann so weit. Festlich gekleidete Menschen strömten zur Kirche. Eingang nur durch ein Seitenportal, Kontrolle wie am Flughafen. Das freudige Ereignis beflügelte die Menschen, die Wartezeit kommunikativ zu verbringen. So ergaben sich Gespräche mit alten Bekannten, die man nicht täglich trifft. (Altpräsident Meri, Ministerpräsident Ansip, OB Mädge aus Lüneburg u.a.).

Fast auf die Minute genau ging das Hauptportal auf und die Ehrengäste wurden hineingeleitet: Bundespräsident Horst Köhler mit Frau, Staatspräsident Arnold Rüütel mit Frau mit einigen Sicherheitskräften und kleiner Begleitung u.a. die beiden zuständigen Botschafter. Auf dem selben Wege kamen kurz darauf, angeführt von Erzbischof Andres Pöder, die insgesamt 12 Pfarrer, Pröbste und Bischöfe – aus Deutschland dabei Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter und Pfarrer Wolfgang Koch von der Partnergemeinde Lüneburg - , der Kammerchor der Johanniskirche und ein Jagdhornansemble. Zum ersten mal erklang mit dem Eingangslied die Orgel, ein Geschenk aus Deutschland, deren Installation am Abend des 27. Juni beendet werden konnte.

Für die Teilnehmer gab es ein kleines Heft über den Ablauf des Gottesdienstes mit deutschen oder estnischen Texten und estnischen Liedertexten. An den Melodien konnte man sie erkennen und mitsingen.

Die Einweihungsansprache hielt Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter. Sie und der Pastor der Johanneskirche, Urmas Petti assistierten dem Erzbischof bei der Einweihung an den Stationen Taufstein, Kanzel (Pult) und Altar.

Teile der Liturgie werden gerne und gut von Pastoren gesungen. So wurden auch Stücke aus Mart Jaansons Werk „Der lutherische Gottesdienst nur in Musik“ vorgetragen. Die Predigt hielt Erzbischof Emeritus Jaan Kiivit. Den deutschen Text konnte man im deutschen Heft mitlesen. Einige Worte aus der Predigt: „Wenn wir heute die Wiedergeburt der Johanniskirche celebrieren, dann ist das ein Zeugnis vom Willen vieler Menschen, sichtbar mit dem verbunden zu sein, was heilig und ewig ist. Dem Vernichtungswerk des Krieges und den Ruinen wurde das letzte Wort nicht überlassen. Jede Kirche weist auf Gott hin und damit auf die Heiligkeit der ganzen Schöpfung und des menschlichen Lebens. Diese beiden sind uns zum Hegen und Pflegen anvertraut worden. Just in den Glaubens- und Geistessachen brauchen wir etwas Konkretes und Handfestes, was unseren Gedanken und unseren Taten eine rechte und feste Richtung gibt. Ich glaube, dass dasselbe auch alle diese Menschen in Estland und Deutschland angestrebt haben, dank deren Willen, Anstrengungen und Opferbereitschaft die Tartuer Johanniskirche wiederaufgebaut und eingeweiht ist. Wir sind reicher geworden. Wir können den Mitwirkenden dankbar sein und über das Ergebnis nur Freude und Stolz empfinden“.

Das Abendmahl wurde, wie in Estland üblich, an (fast) alle ausgeteilt, an 6 Stationen von jeweils zwei Pastoren. Auch das Ehepaar Köhler nahm teil.

Das Schlusslied „Segne und behüte“ wurde stehend gesungen und dann ordnete sich die Prozession und bewegte sich zum Ausgang. Die Ehrengäste folgten. Sodann strömten Gemeinde und Besucher ins sonnige Freie.

Es gab viele deutsche Besucher, aus der Partnergemeinde Lüneburg und natürlich auch Landsleute, insbesondere etliche Paten von Kopien der Terrakotta-Skulpturen. Diese von Künstlerhand geformten (geschnittenen) Kopien, nach den alten Methoden hergestellt, werden außen an der Kirche angebracht, während die Originale im Inneren der Kirche ihren Platz finden. Die Entwicklungs- und Versuchsarbeiten für die Kopienherstellung konnte der Verein zur Förderung Baltischer Baudenkmäler e.V. finanzieren. Die Herstellkosten wurden bisher von 80 Paten übernommen. Die Terrakottawerksatt wurde mit Spenden aus Deutschland eingerichtet. Die festen Kosten übernimmt der Denkmalschutz. Für die Deckung der Betriebskosten muss der erwähnte Verein sich einsetzen. Die Restaurierungsarbeit bleibt Hauptaufgabe und wird sie voraussichtlich noch 10 bis 15 Jahre bleiben.

Bauträger für den Wiederaufbau der Johanniskirche ist die Stiftung Johanniskirche deren Vorsitz das Dorpater Stadthaupt hat. Die Finanzierung erfolgte im wesentlichen durch den Estnischen Staat mit namhaften Beiträgen der Stadt und der Nordelbischen Kirche, unterstützt durch viele große und kleine Spenden, auch von der Dorpater Bevölkerung.

Die Fachleute der Nordelbischen Kirche haben große Erfahrung bei ihren eigenen Wiederaufbau und Sanierungsprojekten gesammelt, eine gute Basis für die Beratungen in Dorpat, die sehr hilfreich waren. Diese Hilfen wurden beim Empfang am Nachmittag des Einweihungstages gebührend erwähnt und es fanden auch Ehrungen statt.

Im ersten Teil des Empfanges kamen zunächst die Ehrengäste zu Wort. Die Ansprache von Bundespräsident Horst Köhler „kam sehr gut an“. Sätze wie Meine Frau und ich freuen uns sehr, dass wir zur Einweihung der Johanniskirche in Tartu zu Ihnen kommen konnten. Es war eine sehr stimmungsvolle, aber auch sehr strahlende Feier, an der wir teilgenommen haben. Sie hat mir den Eindruck von Kraft vermittelt und von Entschlossenheit, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Die Narben der Kirche lassen dabei noch erahnen, welchen Weg das estnische Volk in seiner jüngeren Geschichte bewältigt hat. – Es hat unsere Länder zusammengeführt, dass wir am Wiederaufbau eines Wahrzeichens dieser Stadt mitwirken konnten. Dies ist auch ein Bekenntnis zur gemeinsamen Geschichte. Die Johanniskirche ist ein Denkmal der engen historischen Verbindungen zwischen Deutschland und Estland. Wir können auch über Gutes in Jahrhunderten deutsch-estnischen Zusammenlebens sprechen. – Ich besuche Estland bereits zum zweiten Mal in meinem ersten Jahr als Bundespräsident. Damit will ich zum Ausdruck bringen, wie wichtig uns die Beziehungen zu Ihrem Land sind. fanden Interesse und Anklang.

Ministerpräsident Andrus Ansip, in den für den Wiederaufbau der Johanniskirche wichtigsten Jahren Dorpater Stadthaupt, Planer und Organisator des zügigen Wiederaufbaus wies insbesondere auf die Leistung der Dorpater Bürger bei der Spendensammlung für die Dacheindeckung aus Kupfer und die Glocken hin. Eine derartige Sammlung an der weite Kreise der Bevölkerung aktiv teilnehmen ist in Estland eine einmalige Leistung.

Der offizielle Teil des Empfangs schloss mit der feierlichen Verleihung der Dorpater Ehrenmedaille /Tartu medal) durch das Stadthaupt Frau Jänes an Kaur Alttoa/Tartu, Nils Hollberg/Königswinter, Wolfgang Koch/Lüneburg, Henning Kramer und Wilhelm Poser aus Kiel.

Zu Beginn des Empfanges hatte ich Gelegenheit, mich beim Herrn Bundespräsidenten für das von mir angeregte Gastgeschenk der BRD an die Johanniskirche, eine Lautsprecheranlage, zu bedanken.

Im zweiten weniger offiziellen Teil des Empfangs überreichte die Präsidentin des Denkmalschutzes den oben genannten Personen Ehrenurkunden für ihren Beitrag zum Denkmalschutz.

Die vier Deutschen wurden zudem mit einem schwerwiegenden Gastgeschenk geehrt. Jeder erhielt die Kopie eines Terrakottakopfes in Originalgröße mit entsprechender Urkunde. Zum Abschluss des festlichen Tages wurde am Abend das Eröffnungskonzert veranstaltet, mit der Berliner Messe von Arvo Pärt unter Dirigent Tönu Kaljuste.

Den Gottesdienst gab es im Fernsehen mehrfach in voller Länge zu sehen. Die anderen Veranstaltungen wurden dokumentiert. Es wurde viel berichtet, auch in den Zeitungen. In den folgenden Tagen kamen viele Besucher. Führungen konnte man mitmachen und ein reichhaltiges Konzertprogramm nutzen. Wegen der internationalen Hansetage waren in der Stadt viele Besucher aus Deutschland und anderen Ländern, die Verbindungen zur Hanse hatten.